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SSRQ ZH NF I/1/11 13-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, von Sandra Reisinger

Zitation: SSRQ ZH NF I/1/11 13-1

Lizenz: CC BY-NC-SA

Müllerordnung der Stadt Zürich

1598 November 8.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erneuern die Müllerordnung von 1593. Nachdem die Obrigkeit eine Mehlprobe gemacht hat, wird das Verhältnis zwischen Mehl und Kleie (Krüsch) für drei unterschiedliche Getreidequalitäten sowie der Lohn des Müllers beim Mahlen, welchen er in Form von Getreide erhält, festgelegt (1). Die Obrigkeit behält sich vor, in anderen Jahren mit abweichender Getreidequalität neue Mehlproben durchzuführen (2). Die Müller sind angehalten, Getreide von verschiedenen Kunden nicht miteinander zu mischen (3). Des Weiteren sollen die Müller Getreide von schlechter Qualität nicht zum Preis von Getreide von höherer Qualität verkaufen (4). Es ist verboten, dass die Müller das Mehl aus den Mehlkästen nach eigenem Gutdünken abmessen (5). Weiterhin soll das Mehl nicht schleimig oder zäh gemahlen werden (6,7). Zum Schluss werden die Obervögte auf der Landschaft aufgefordert, Zuwiderhandlungen zu bestrafen (8).

In ZürichOrt: wurde Getreide und Mehl bis ins 19. Jahrhundert nicht nach Gewicht, sondern anhand seines Volumens gemessen. Die gängigste Masseinheit war das Mütt, welches 83,40 Liter umfasste. 1 Mütt bestand aus 4 Viertel oder 16 Vierlingen oder 36 Immi (HLS, Mütt; Brühlmeier 2013, S. 255). Damit das Getreide, in ZürichOrt: war dies meist Dinkel, zu Mehl gemahlen werden konnte, musste es von den Kunden zu den Mühlen gebracht werden. Diese befanden sich in der Stadt ZürichOrt: hauptsächlich an den beiden Mühlestegen in der LimmatOrt: , am rechten LimmatuferOrt: und entlang der SihlOrt: . Beim Messen des Dinkels wurde zwischen rauer und glatter Frucht unterschieden. Mit einem Mahlgang, dem sogenannten Rellen, trennte man das Dinkelkorn von der Spelze. Erst danach wurde die nun glatte Frucht, die man Kernen nannte, zu Mehl gemahlen. Es gab unterschiedliche Mehlqualitäten, die mit den Abständen der Mühlsteine, mit der Anzahl Mahlgänge sowie mit dem Absieben des Mehls zusammenhingen. Die Obrigkeit legte, wie auch in der vorliegenden Ordnung, regelmässig mithilfe von sogenannten Mehlproben das Verhältnis von Mehl und Kleie (Krüsch) fest. Je höher die Kernenqualität, desto mehr Mehl und weniger Kleie ergab der Mahlgang. Obwohl die Kleie ein Abfallprodukt des Mahlprozesses war, musste sie dem Kunden ebenfalls ausgeliefert werden, da sie meist als Viehfutter verwendet wurde. Die Müller erhielten für diese Dienstleistung einen Mahllohn, welcher sich auf 2 Immi Kernen pro zu mahlendes Mütt belief.

Mit der Hungerkrise des Jahres 1530 (SSRQ ZH NF I/1/11 7-1) veränderte sich die Mehlpolitik der ZürcherOrt: ObrigkeitOrganisation: . Im selben Jahr wurde eine Müllerordnung des Rats erlassen, worin sich ein stärkeres Misstrauen gegenüber den Müllern sowie ein erhöhtes Kontrollbedürfnis der Obrigkeit widerspiegelt (Edition: QZZG, Bd. 1, Nr. 266; vgl. auch die Bäckerordnung desselben Jahres, SSRQ ZH NF I/1/3 148-1). Zwischen 1530 und 1798 passte der Rat der Stadt ZürichOrt: Organisation: die Normgewichte nur noch geringfügig an und die obrigkeitlichen Mehlproben wurden regelmässig wiederholt (für eine typische Mehlprobe vgl. SSRQ ZH NF I/1/11 81-1). Da jedoch der Getreidepreis langfristig stieg, profitierten die Müller, weil sie ihren Lohn in Form von Naturalien und nicht Geld bezogen. Erst im 18. Jahrhundert wurde den Kunden die Wahl gelassen, ob sie den Lohn in Form von Naturalien oder Geld beziehen wollten (vgl. Ordnung der Landmüller und Landbäcker von 1774: SSRQ ZH NF I/1/11 75-1).

Zu den Müller in Zürich vgl. Brühlmeier 2013, S. 144-163 und 216-322; Klaassen 1996, S. 27-49.

Editionstext


Wir Burgermeister und Raht der Statt ZürychOrt: Organisation: / Thuͦnd kundt hiemit. Demnach wir
sampt unserm grossen RathOrganisation: / im vergangnen Fünfzechenhundert drü und Nüntzigsten JareDatum: 1593 () / der Mülleren halber in unser Statt und Landtschafft / ein allgemein Mandat im Truck offentlich ußgahn
lassen1: Wie sy sich in einem und dem andern / mit dem malen deß kernens halten: Auch was unnd wie
vil sy an maͤl einem biderman von dem kernen / so desselbigen Jars gewachsen / geben moͤgind unnd
soͤllint: Alles vermoͤg der prob / so domaln darumbe gemacht worden ist. Werdent wir / uß krafft deß
bevelchs unnd gwalts / den wir darüber von unserm grossen RathOrganisation: empfangen / von Oberkeitlichen
Ampts wegen / verursachet / dem gmeinen man unnd mengklich zeguͦtem / hürigs Jars uff den kernen
abermaln ein prob zemachen / Unnd im übrigen auch das vorig Mandat widerumb zu ernüweren.
Unnd nachdem wir nun durch unsere verordneten / dryerleyMenge: 3 gatungen deß hürigen kernens / uff der
Hußmülli (.wie man es nennt.) malen und probieren lassen / hat sich erfunden / daß jederley / in der Mülli
uß dem kasten gemessen / ußgeben hat wie volgt. Namlich ein Mütt des besten KernnensVolumenmass: 1 Mütt Dinkel / vj. viertel gstrichens maͤlVolumenmass: 6 Viertel Mehl / und ein viertelVolumenmass: 1 Viertel Kleie dryg vierling krüschVolumenmass: 3 Vierling Kleie. Der ander Mütt deß mitelmaͤßigen kernensVolumenmass: 1 Mütt Dinkel hat geben /
v. viertelVolumenmass: 5 Viertel Mehl und drithalben vierling maͤlVolumenmass: 2.5 Vierling Mehl / und ij. viertel krüschVolumenmass: 2 Viertel Kleie. Und dan so hat der dritt Mütt deß schlechtisten kernensVolumenmass: 1 Mütt Dinkel geben / v. viertelVolumenmass: 5 Viertel Mehl j. vierling maͤlVolumenmass: 1 Vierling Mehl / und j. viertelVolumenmass: 1 Viertel Kleie iij. vierling krüschVolumenmass: 3 Vierling Kleie. Und ist allwegen by einer jeden prob / vor und ehe der kernnen gemalen / deß Müllers lohn / als zwey immi kernenVolumenmass: 2 Immi Dinkel vom MüttVolumenmass: 1 Mütt Dinkel /
vor dannen genommen worden.

Und dieweil dann nach dem hürigen Jargang die Müllere einem biderman das / wie obstadt /
wol geben moͤgend: So thuͦnd wir desselbigen hiemit mengklichen in unser Statt und Landtschafft
offentlich berichten. Und ist haruf unser will / meinung und bevelch / Daß alle Müller in unser Statt /
und allenthalben uff unser Landtschafft / sampt iren diensten und gsind / sich darnach halten / und auch
schuldig syn soͤllind / einem jeden das / wie vorgemeldet / ungefarlich werden zelassen.

Behaltend uns hieby / glych wie vor auch / bevor / diewyl die Jargeng der früchten halber unglych sind / zu künfftigen anderen Jaren / wann es uns für guͦt ansehen wirt / abermaln menigklich ze
guͦtem / proben auff den kernnen machen zelassen.

Und wellicher einem Müller kernnen in die Mülli gibt / und begaͤrte ime den ufzeschütten und zemalen / soll der Müller denselben kernnen nit verwechßlen / sonders einem jeden synen unnd keinen andern kernnen darfür ufschütten / und dann nach abzug deß gwonlichen malerlohns / einem jeden / was
und wie viel sein kernnen gegeben hat / mit allem flyß und trüwen zuͦstellen.

Wann auch ein Müller etwan deß schlechtern kernens hat / so sol er denselben / dem gmeinen armen
man / nit (wie vilmaln beschicht) so thür als man den besten kernnen kaufft / geben / sonders einem jeden
den schlechtern kernnen in dem gelt / wie er denselben kaufft hat / by synem Eyd und trüwen gevolgen
lassen / und darmit khein gfahr bruchen.

Und alsdann in etlichen Müllinen brüchig / Daß die Müller das maͤl uß den Maͤlkaͤsten (daryn
sy vil zesamen malend) nach ihrem gefallen ihren khunden ußhin gemaͤssen unnd gegeben: habend wir
dasselbig fry gentzlich abgestrickt. Also daß es in kheinen Müllinen mehr dergestalt gebrucht werden soͤlle.

Wie wir auch hiemit verbotten haben woͤllend / daß kein Müller gefarlicher wyß das maͤl zaͤch
und schlymerig / damit es sich destbaß maͤsse / machen soͤll / sonders ein jeder Müller uff den griff (wie
mans nennt) malen / und dermassen mengklichen werschafft machen / daß man sich irethalb gfahr ald
vorteyls billicher wyß nit zuerklagen.

Dann wellicher Müller ald Müllers dienst / in dem oder anderm gfahr ald untrüw bruchen / und
einem das / so ime gehoͤrt / mit gferden entzüchen / und diser unser erkantnuß nit gelaͤben und statt thuͦn
wurde (Daruf wir dan ein ufsehens haben lassen werdent) den und dieselbigen woͤllend wir darumbe
dermassen straffen / daß vil andere daran gedencken und sich huͤten werdent.

Bevelchend hiemit auch allen unseren Obervoͤgten uff unserer Landtschafft / wo ihnen der Mülleren halber / die in ihren Amptsverwaltungen gesessen sind / klag fürkeme / daß sy dieselben / so gefaͤlt /
gfahr ald untrüw gebrucht / und diser unser ordnung nit gnug gethon habent / glycher gstalt auch anderen zu einem byspil mit ernst straffen / unnd sy zuͦ erstattung diser unser Erkandtnuß halten soͤllend.
Dann diß also unser will und meinung ist.
Geben uff den achtenden tag Wintermonats. Im Jar
von der geburt Christi unsers Herrn gezelt / Fünffzechenhundert nüntzig und achte
Originaldatierung: 8.11.1598 ()
.
[fol. v]Seitenumbruch

Anmerkungen

    1. Gemeint ist die Müllerordnung von 1593 (StAZH III AAb 1.1, Nr. 42).